Manche Bücher müssen gekostet werden,
manche verschlingt man,
und nur einige wenige kaut man
und verdaut sie ganz.

Cornelia Funke. Tintenherz

Mittwoch, 11. Januar 2006

Rückblende. Erinnerungen einer Neunzigjährigen

 

Lebendig erzählte Geschichte vom Kaiserreich bis zur Währungsreform, das sind die Erinnerungen von Mile Braach - ein Beispiel dafür, welche Folgen die große Politik für das Leben des einzelnen haben kann. 1898 in Frankfurt geboren, weiß sie viel über das Frankfurt zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu erzählen, als noch Pferdewagen das Straßenbild bestimmten und ein Schulausflug nach Neu-Isenburg etwas Besonderes war. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges bringt nicht nur Schwierigkeiten für die väterliche Firma, auch Miles Pläne für die Zukunft werden zunichte gemacht. Die Heirat mit Johannes H. Braach, einem hochbegabten Musiker, der inzwischen als Journalist, dann als Intendant arbeitet, führt sie ins besetzte Rheinland. Weitere Stationen sind Wertheim am Main und Hildburghausen, ehe die Braachs 1933 nach Frankfurt zurückkehren, wo Mile und ihre Familie unter der ständigen Bedrohung des nationalsozialistischen Terrors leben müssen. Die Tochter Bergit läßt man nach England ausreisen, und ihr Vater entgeht kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner durch einen glücklichen Zufall der Verhaftung. Nach 1945 baut sich Mile Braach ein völlig neues Leben auf und gründet zusammen mit ihrem Vater einen Lederhandel, ehe sie sich im hohen Alter wieder publizistischen Arbeiten widmen konnte, eine Tätigkeit, die ihr 1936 von der Reichsschriftkammer verboten wurde.